Interview über die Gründung eines FinTech-Startups
Gründer-Geheimnis invest wise: Unterstützung vom Anlagecoach
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Inhaltsverzeichnis
- Phase 1: Ideenfindung
- Phase 2: Planung
-
Phase 3: Gründung
- Wie viel Potenzial besitzt diese Branche, warum sollten angehende Gründer in der Finanzbranche neue Konzepte entwickeln?
- Mit invest wise – insbesondere dem Anlagecoach – bietet ihr die Möglichkeit sich über mögliche Investments zu informieren. Welche Vorteile bietet ein Online-Business gegenüber analogen Unternehmen?
- Gründen wird oftmals als unkompliziert dargestellt, aber wenn du zurückblickst: Welche Fehler habt ihr gemacht?
- Phase 4: Wachstum
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Finanzwissen vermitteln und Interessierte beim Finden des richtigen Anlagemodells unterstützen – das versprechen die Gründer Lennart Poerschke, Tiên Grünewald und Felix Vogt bei invest wise. Sie bündeln Finanzpower im Dreiergespann. So sind alle Studenten eines Masterstudiums im Finanzbereich und wertvolle Erfahrung, die sie auf die Umsetzung ihres Unternehmens vorbereitet hat. Gemeinsam haben sie den Anlagecoach entwickelt, der mit wenigen einfachen Fragen für jeden das optimale Investment findet und über Finanzthemen aufklärt.
Das Startup hat mittlerweile 30 Partnerschaften mit den renommiertesten Investmentanbietern Deutschlands. Über ein Empfehlungs- und Provisionsmodell erhält invest wise Einnahmen als Teil der Neukundengewinnung der Anbieter. Außerdem konnten sie Finanz-Professor Dr. Burcin Yurtoglu als wissenschaftlichen Beirat hinzugewinnen. Im kommenden Sommer sind sie Teil des WHU Accelerators. Hier möchten sie sich mit anderen Gründern über verschiedenste Themen austauschen. Im Interview haben wir mit Lennart Poerschke gesprochen. Er hat uns das Gründer-Geheimnis hinter invest wise und viele Tipps für angehende Gründer verraten.
Phase 1: Ideenfindung
Wie genau entstand die Idee für invest wise?
Während unseres Studiums im BWL- und Finanzbereich wurden wir immer wieder von Verwandten und Freunden kontaktiert. Sie haben gefragt “Was ist eigentlich ein ETF?”, “Wie kann ich mit der Geldanlage starten?” oder sogar konkret “Wärst du bereit einen Teil meines Geldes für mich zu investieren?”. Nach diesen Erfahrungen begannen wir zu recherchieren und haben festgestellt, dass das Problem nicht nur in unserem Umfeld auftritt. Tatsächlich investieren 83% der Bevölkerung in Deutschland nicht in die Aktienmärkte. So liegt Erspartes im Wert von rund 2,5 Billionen Euro auf den Spar- oder Girokonten. Besonders in Zeiten von andauernder Niedrig- und Strafzinsen sowie Rekordinflation ist dies gerade zu erschreckend.
Woran könnte die fehlende Investmentkultur in Deutschland liegen?
Auch hier gibt es eindeutige Zahlen. Nur jeder Fünfte der 18-29-Jährigen gab in einer Marktstudie an, zumindest über gute Kenntnisse bei dem Thema Geld zu verfügen. Außerdem boten in einem Test von Stiftung-Warentest lediglich 3 von 23 Banken eine gute Anlageberatung. Stattdessen schnitt der Rest aufgrund von unzureichenden Aspekten bei dem Thema Transparenz und Empfehlung geeigneter Anlageprodukte nur “befriedigend” oder sogar “mangelhaft” ab. Als Resultat dieser Missstände im Markt haben angehende Privatanleger ohne die notwendigen Finanzkenntnisse letztlich oft nur die Wahl zwischen teuren, von Eigeninteresse geleiteten Anlageberatern oder einem selbstständigen und mühsamen Lernprozess, um selbst Investitionsentscheidungen treffen zu können. Daher haben wir uns nach ausgiebiger Recherche und unzähligen Nutzerinterviews neben unserem Master-Studium dazu entschieden invest wise zu gründen. Das Ziel war es, Menschen ohne das nötige Finanzwissen bei der Geldanlage zu unterstützen. Wir wollten sie vor der Geldentwertung durch Niedrigzinsen und Inflation bewahren.
Welche Rolle spielt hier der Anlagecoach?
Mit dem Anlagecoach möchten wir die klassische Anlageberatung demokratisieren und automatisieren. Dieser simuliert ein klassisches Anlageberatungsgespräch und macht dem Nutzer nach Beantwortung einiger Fragen einen diversifizierten sowie individuellen Anlagevorschlag. Entlang der Beantwortung der Fragen wird dem Nutzer das notwendige Finanzwissen vermittelt. Dadurch sind Nutzer nicht mehr gezwungen sich zwischen teuren und von Provisionen getriebenen Anlageberatern und einer zeitaufwändigen und mühsamen Eigenrecherche zu entscheiden. Wir empfehlen dann nur Investmentanbieter von denen wir 100% überzeugt sind. Uns ist es wichtig gegenüber unseren Kunden transparent zu handeln und uns nach den Bedürfnissen der Nutzer zu richten. Falls sich ein Kunde dazu entschließt unserer Empfehlung von Anlageklassen nachzugehen, erhalten wir gegebenenfalls eine Provision des jeweiligen Anbieters. Dem Kunden entstehen jedoch keine Mehrkosten.
Wie habt ihr erkannt, dass es sich dabei um ein lukratives Geschäftsmodell handelt?
Bei unseren verschiedenen Praktika ist uns aufgefallen, dass der FinTech-Markt aktuell sehr heiß ist und immer höhere Bewertungen bei Venture Capital Finanzierungen erzielt werden. Gleichzeitig bleibt die Anzahl an möglichen Kunden jedoch die Gleiche. Investmentanbieter wie Trade Republic wollen möglichst schnell Nutzerwachstum generieren. Sie sind bereit hohe Kundenakquisitionskosten und somit Neukundenprovisionen zu zahlen. Dies liegt auch daran, dass der Customer Lifetime Value, der beschreibt wie viel ein Kunde für das Unternehmen insgesamt Wert ist, im FinTech Bereich schnell höher ist als die Kundenakquisitionskosten. Eine Lead-Generation-Plattform stellt daher im Finanzbereich eine attraktive und kosteneffiziente Methode dar, um ein eigenes Geschäft aufzubauen. Diese erfordert einen vergleichsweise geringen Fixkostenanteil und ist somit flexibler was die generellen Kostenstrukturen angeht als technisch- und regulatorisch-komplexere FinTech-Start-ups.
Phase 2: Planung
Wie habt ihr euch informiert? Und dann danach bei der Planung unterstützen lassen?
Nachdem die Idee und das Geschäftsmodell stand, haben wir zunächst eine UG gegründet, mit der man schon ab einem Euro Stammkapital das Unternehmen eintragen lassen kann. Auf der rechtlichen Seite haben wir uns von einem Anwalt im Gebiet Finanzdienstleistungen unterstützen lassen, um uns gegen eventuelle Stolpersteine abzusichern. Die Umsetzung unserer Webseite und Plattform haben wir größtenteils selbst vorgenommen, um wertvolle Kosten zu sparen. Wir hatten das Glück auf die Hilfe und Erfahrung von Bekannten aus unserem Netzwerk zurückgreifen zu können. Sie haben uns die Expertise in den Bereichen Product & Tech-Entwicklung, UI/UX-Design und Online Marketing geliefert. Für die Entwicklung der ersten Version unserer Plattform, dem sogenannten Minimum Viable Product (MVP) haben wir knapp drei Monate benötigt. Die bis heute knapp 30 Partneranbieter konnten wir in der Zwischenzeit bequem über eine Affiliate-Plattform gewinnen. Somit haben wir uns mühsame Onboarding-Prozesse gespart.
Wie habt ihr den Markt von invest wise analysiert?
Durch unsere vorherigen Berufsstationen waren wir mit dem Markt schon recht vertraut, dennoch haben wir ihn vor Beginn unserer Unternehmung nochmal genauer analysiert. Hierbei ist es wichtig einen Überblick zu besitzen, wie groß der Markt insgesamt ist und welche Wettbewerber bereits Segmente bedienen. Hilfreich für eine systematische und transparente Analyse ist die TAM SAM SOM Marktabschätzungsmethode. TAM steht für den Total Adressable Market, SAM für den Serviceable Available Market, und SOM für den Serviceable Obtainable Market. Lediglich wenn der SOM groß genug ist für deine Ambitionen solltest du ein Unternehmen in dem analysierten Umfeld starten.
Wie sah dann die Erstellung des Businessplan aus?
Für den ersten Finanzplan ist besonders die Wahl des Geschäftsmodells elementar, da es später die Komplexität und Anlaufdauer der ersten Umsätze enorm beeinflusst. In unserem Fall war das Lead-Generation-Modell, bei dem das eigentliche Angebot für die Nutzer kostenlos ist, sehr attraktiv. Das hat den Vorteil, dass man Endkunden oder Unternehmenskunden nicht ein Produkt oder Service im eigentlichen Sinne verkaufen muss. Stattdessen erzielt man bereits mit dem kostenlosen Angebot schon dann Umsätze, sobald man sogenannte Leads, also Interessenten, generiert hat. Das hat uns in unserem Finanzplan geholfen, schnell die ersten Umsätze einzufahren und auch auf der Kostenseite flexibel zu bleiben. Auch das Gründerteam hat enormen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung, da bei möglichst breit diversifizierter Expertise lange alleine gearbeitet werden kann, bevor das Team vergrößert werden muss. Das war ebenfalls Teil des Finanzplans.
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Welche Schritte standen noch an, bis die Plattform von invest wise an den Start ging?
Bei unserem ersten Launch haben wir uns an ein Zitat von Reid Hoffman gehalten: “If you’re not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late.” Daher standen keine großen weiteren Schritte an. Nach der Entwicklung unserer ersten Version, der Gründung der UG, der Schließung der Partnerschaften mit den Investmentanbietern und dem eigenhändigen Bau der Website, haben wir diese direkt veröffentlicht. Einer der wichtigsten Aspekte während und nach der Produktentwicklung war außerdem das Testen sowie das Annehmen von Feedback, um die Plattform kontinuierlich zu verbessern. Diesen Punkt sollten Gründer nicht vernachlässigen, da Perspektiven und Verbesserungsvorschläge aufgezeigt werden, die dem Gründerteam eventuell nicht aufgefallen sind.
Phase 3: Gründung
Wie viel Potenzial besitzt diese Branche, warum sollten angehende Gründer in der Finanzbranche neue Konzepte entwickeln?
Der Finanzmarkt in Deutschland ist sehr fragmentiert und der Zugang ist weiterhin leider meist auf professionelle Anleger beschränkt. Deutsche gehören, was ihre persönlichen Finanzen angeht, zu den konservativsten Menschen. Auch wenn es um das Thema Rente und Altersvorsorge geht, schneidet Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen sehr schlecht ab. Das Problem der sogenannten Rentenlücke wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen und Privatpersonen dazu drängen, privat in Form von Sparen und Investieren finanziell vorzusorgen. Ein Wachstumstreiber für den deutschen Finanzmarkt ist die steigende Inflation, die derzeit bei über 7% liegt. Da immer mehr Bürger einen Geldwertverlust befürchten, werden Investitionen attraktiver, der Markt wächst dementsprechend kontinuierlich.
Mit invest wise – insbesondere dem Anlagecoach – bietet ihr die Möglichkeit sich über mögliche Investments zu informieren. Welche Vorteile bietet ein Online-Business gegenüber analogen Unternehmen?
Besonders für unsere Geschäftsidee und junge Zielgruppe ist es enorm wichtig online präsent zu sein. Analoge Unternehmen erreichen diese Gruppe immer schwieriger, da sich ein Großteil des Lebens, speziell des Konsums, online abspielt. Zudem ist es online einfacher Prozesse den Kundenbedürfnissen anzupassen, dadurch kann schneller eine höhere Kundenzufriedenheit erreicht werden. Dies ist als Startup sehr vorteilhaft, da viele Iterationen bzw. sogenannte Pivots vollzogen werden, bevor das Produkt die Kundennachfrage bestmöglich bedient.
Gründen wird oftmals als unkompliziert dargestellt, aber wenn du zurückblickst: Welche Fehler habt ihr gemacht?
Unser größter Fehler war, zu viele Stellschrauben auf einmal anzugehen, statt uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dies haben wir zum Glück schnell genug realisiert und daraus gelernt. Wichtig hierbei ist Priorisierung und das 80/20-Prinzip. Außerdem sollte man bei seiner Gründung nicht zu fixiert auf seine anfängliche Idee sein, sondern flexibel und offen für mögliche Änderungen bleiben. Als Gründer ist es also unumgänglich, dass man immer offen für Feedback ist, auch wenn das bedeutet das Geschäftsmodell oder die komplette Unternehmensstrategie zu ändern. Bei unserem ersten Launch hätten wir dementsprechend noch mehr User Feedback einsammeln und darauf hören sollen.
Phase 4: Wachstum
Was macht invest wise im Vergleich zur Konkurrenz so besonders?
Unser Angebot erfordert wenig Zeitaufwand und Vorkenntnisse von den Nutzern, ist komplett kostenlos und ermöglicht dennoch eine sehr diversifizierte und professionelle Geldanlage. Im Vergleich zu Wettbewerbern decken wir eine Vielzahl an Anlageklassen für eine möglichst diversifizierte Geldanlage bei einem gleichzeitig stringenten und einfach gestalteten Prozess ab.
Welche Marketing-Kanäle habt ihr für invest wise bisher erfolgreich genutzt?
Wir rollen derzeit verschiedene Strategien und Kampagnen in den Bereichen SEO, Google Search, Google Display, Facebook, Instagram, und TikTok aus. Bei dem Thema Nutzerakquise und Marketing sollten sich Gründer im Falle von Bootstrapping von Anfang an mit dem Thema SEO auseinanderzusetzen. Dabei geht es darum, wertvollen organischen Website-Traffic durch die Suchmaschinen-Optimierung langfristig aufzubauen. Dies lohnt sich wesentlich mehr als für Search oder Display-Marketing zu bezahlen und ist deutlich kosteneffizienter. Da im Finanzbereich sehr viel Wettbewerb bei der Kundenakquise herrscht, war das für uns nicht gerade einfach. Unsere Lösung hier war es, den Fokus auf bestimmte Nischen-Suchbegriffe zu legen, die viele Suchanfragen erzielen aber weniger Konkurrenz mit sich bringen. Anschließend muss der passende Content kreiert werden, was beispielsweise in Form eines Blogs oder eines Wikis, in unserem Fall für Finanzbegriffe, umsetzbar ist. Bei SEO ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht sofort sichtbar sind und einige Zeit in Anspruch nehmen können.
Welche geheimen Tipps möchtest du angehenden Gründern geben?
Als Ratschlag für angehende Gründer können wir auf jeden Fall empfehlen zu Beginn der Gründung, der wohl schwierigsten Phase überhaupt, die Idee und eventuelle Prototypen möglichst kosteneffizient in Form von Umfragen oder Nutzerinterviews zu testen, um möglichst viele Kosten zu sparen. Das hat den Vorteil, dass man kein Geld sowie auch Zeit und Nerven für die Entwicklung eines Produkts verschwendet, was am Ende keine Nachfrage bedient. Dabei kann vor allem am Anfang auf viele kostenfreie Tools wie Umfrage-Tools, Protypen- oder Webseiten-Baukästen zugegriffen werden. Dies ermöglicht dem Startup erste Umsätze einzufahren und das Angebot zu testen.
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Über den Autor
Luisa Färber
Luisa macht seit Februar 2022 ihr Volontariat in der Online-Redaktion von Gründer.de. Hier ist sie immer auf der Suche nach den neusten Startups mit bahnbrechenden Ideen und spannenden Businessmodellen. Ob Nachhaltigkeit, Food oder FinTech – Luisa recherchiert und schreibt über die Unternehmen von morgen! Außerdem ist sie mitverantwortlich für unsere Kooperationen und bringt Gründer.de auch als Marke voran. Ursprünglich kommt sie aus einem kleinen Dorf in Oberfranken und entschied sich nach dem Abitur für ein Studium der Angewandten Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Ilmenau in Thüringen. Nach ihrem Bachelor, in dem sie ihre Leidenschaft für die redaktionelle Arbeit entdeckte, hat es sie nun nach Köln und in die Redaktion von Gründer.de verschlagen.