Digitale Lösungen für Streitfälle
Gründer-Geheimnis Suitcase: Rechtsstreitigkeiten digital klären
Featured image: Sebastian Arlt
Inhaltsverzeichnis
-
Idee und Gründung
- Wie genau entstand die Geschäftsidee für Suitcase?
- Wie lief die Namensfindung ab? Warum habt ihr euch für “Suitcase” entschieden?
- Wie und wann habt ihr erkannt, dass ihr eure Idee in einem eigenen Unternehmen umsetzen wollt?
- Wie ging es dann weiter? Was waren die nächsten Schritte für Suitcase?
- Beim Gründen läuft nicht immer alles glatt: Was würdet ihr das nächste Mal nicht nochmal so machen?
- Die Branche
- Alltag
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Ein Rechtsstreit kann sich lange ziehen. Zwischen vier und zehn Monate ziehen sich die entsprechenden Gerichtsprozesse am Amts- oder Landgericht hin. Im Falle einer Niederlage trägt man auch noch alle Kosten. Um solch eine Situation zu vermeiden, gibt es die Möglichkeit, eine Online-Streitbeilegung zu machen. Das macht Suitcase. Dahinter stecken die drei Gründer Tim Kniepkamp, Philipp Hertel sowie Tim Fischer. Sie haben ihr Legal Tech Startup gegründet, um Gerichtsverfahren zu vermeiden und stattdessen Schlichtungsverfahren anzustreben. Der aktuelle Fokus liegt auf Streitigkeiten nach einer Job-Kündigung.
Tim Kniepkamp ist Geschäftsführer und für die Außendarstellung verantwortlich. Sein Bereich ist Sales, Marketing sowie Investor Relations. Tim Fischer ist Geschäftsführer und hält das Unternehmen von innen heraus zusammen. Er sorgt für reibungslose Abläuft und steht Kunden als Ansprechpartner zur Seite. Philipp ist ebenfalls Geschäftsführer und leitet die Entwicklung des Produktes. Wie die drei auf ihre Idee kamen und was sie an Legal Tech fasziniert, erfährst du im neuen Gründer-Geheimnis.
Idee und Gründung
Wie genau entstand die Geschäftsidee für Suitcase?
Der eine Moment existiert nicht. Suitcase ist das Ergebnis einer mehrjährigen Vorarbeit parallel zum Studium. Den Anstoß gab der Besuch eines Freundes aus Brasilien im Sommer 2020. Er zeigte uns eine mobile Anwendung auf dem Handy, um Rechtsstreitigkeiten im Mietrecht zu lösen. Wir waren sofort fasziniert und haben uns gefragt, ob sich das Konzept auch auf Deutschland übertragen lässt.
Seitdem hat sich extrem viel getan. Wir haben das konkrete Tool zur Streitbeilegung geändert. Wir sind von Berlin nach München umgezogen. Aus einer UG wurde eine GmbH. Aus einer unentgeltlichen Idee für die Wochenenden wurde ein Vollzeitjob mit eigenen Mitarbeitern. Manchmal schauen wir zurück und sind selbst fasziniert, wie schnell sich unsere Rolle gewandelt hat.
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Wie lief die Namensfindung ab? Warum habt ihr euch für “Suitcase” entschieden?
Eine schöne Frage! Man mag es nicht glauben, aber der Name des Unternehmens steht unverändert seit dem ersten Abend im August 2020. Es ist ein Wortspiel mit dem englischsprachigen Slogan des Unternehmens: “Dispute resolution suitable to your case” – also Streitbeilegung passend zu ihrem Fall. Häufig denken Menschen aber auch an die berühmte, lederne Aktentasche, die vielen Juristen zugeschrieben wird.
Wie und wann habt ihr erkannt, dass ihr eure Idee in einem eigenen Unternehmen umsetzen wollt?
Auch hier existiert nicht der eine Schlüsselmoment. Wir haben die Idee zunächst parallel zum Studium aus allen möglichen Blickwinkeln durchdacht und mit vielen Menschen aus der Szene gesprochen. Außerdem haben wir uns viel über Anbieter aus dem Ausland informiert, die bereits in diesem Segment aktiv sind. Mit der Unterstützung verschiedener Förderprogramme wie der UnternehmerTUM in München wurde daraus ein Geschäftsmodell. Spätestens im Frühjahr 2023, als wir in Vollzeit eingestiegen sind, war klar, dass wir Unternehmer werden.
Wie ging es dann weiter? Was waren die nächsten Schritte für Suitcase?
Gründen ist ein echter Kraftakt. Nachdem wir das Produkt erdacht und ein Geschäftsmodell ausgearbeitet hatten, gingen wir auf die Suche nach Investoren. Wir hatten bereits von einer Reihe öffentlicher Fördermittel profitiert. Jetzt wollten wir private Geldgeber an Bord holen. Nachdem uns dieser Schritt im Herbst 2023 gelungen war, begaben wir uns auf die Suche nach ersten Kunden. Das war im juristischen Bereich gar nicht so leicht und erforderte geballte Power. Am Ende konnten wir zwei große Rechtsschutzversicherer und mehrere Boutique Kanzleien von uns überzeugen. Parallel entwickelten wir eine marktreife Version des Produktes, die im März 2024 live ging.
Beim Gründen läuft nicht immer alles glatt: Was würdet ihr das nächste Mal nicht nochmal so machen?
Das ist sehr wahr und ermöglicht erst die steile Lernkurve als Jungunternehmer. Wir würden vermutlich rückblickend später das Unternehmen formell gründen. Der Umzug nach München und die damit verbundene Bürokratie haben uns viel Energie gekostet.
Die Branche
Wie viel Potenzial besitzt diese Branche, warum habt ihr für diesen Bereich entschieden?
Es existieren zwei Arten von Gründern: Diejenigen, die Unternehmer sein wollen und sich ein Vertical suchen, und diejenigen, die sich in einem Bereich gut auskennen und dort auf eine grandiose Idee kommen. Wir die zweite Kategorie. Wir sind Nerds. Dank unserer (juristischen) Ausbildung kennen wir uns sehr gut mit Streitbeilegung aus und stießen durch Zufall in einem Buch auf das Schlichtungskonzept, das wir nun in digitaler Form anbieten. Wir wollten nie Unternehmer werden, waren dann aber so von der Idee angetan, dass wir es nicht unversucht lassen konnten.
Die digitale Streitbeilegung steckt noch in ihren Kinderschuhen. Wir wollten sie nicht den staatlichen Gerichten überlassen. Also entschieden wir uns, eine Alternative zu entwickeln. Uns reizt an unserem konkreten Produkt besonders, dass es personalunabhängig skaliert, nicht auf den deutschen Rechtsmarkt begrenzt ist und signifikante Ersparnis bei Zeit und Kosten bietet.
Wie präsent ist das Thema “Streitbeilegung” bereits?
Streitbeilegung ist so alt wie der Streit. Sie ist fest in der Gesellschaft verankert. Wer streitet sich schon gern? Offen ist hingegen die Frage, wie ein Streit geklärt wird. Historisch war Krieg die Antwort, bis das Recht die Oberhand gewann. Hier denken die Menschen ganz natürlich an die staatlichen Gerichte. Und das ist auch gut so. Wir wollen die Gerichte nicht verdrängen. Sie sind die beste Lösung für Menschen, wie wissen wollen, ob sie Recht haben. Wir sind eine Alternative, die bei den Interessen der Parteien ansetzt. Die einen Kompromiss vermittelt. Es ist also kein Tabuthema, aber ein komplexes und häufig emotionales Thema.
Welche Trends nehmt ihr in dieser Branche gerade wahr?
Die Juristerei gehört zu den Branchen, die weitgehend von der Digitalisierung verschont geblieben sind. Das trifft auch konkret auf die Streitbeilegung zu. In den letzten fünf bis zehn Jahren zeichnet sich eine Veränderung ab. Im Ausland existieren bereits digitale Plattformen zur Konfliktlösung. Die deutschen Gerichte werden mit Videoverhandlungen und E-Akte dazu angehalten, ihre Arbeit schrittweise umzustellen.
Welche Meilensteine habt ihr mit Suitcase schon erreicht?
Wir haben ein nachhaltiges, skalierbares Geschäftsmodell entwickelt. Wir haben uns eine erste Finanzierungsrunde gesichert. Und wir haben das Produkt mit ersten Kunden an den Markt geführt.
Was macht Suitcase so besonders?
Wir haben uns zunächst für ein B2B2C-Geschäftsmodell entschieden, das eher ungewöhnlich ist. Es bedeutet, dass wir gegenüber Unternehmen verkaufen, aber Privatkunden unsere Plattform nutzen. Das heißt: Wir verkaufen an eine Rechtsschutzversicherung und der versicherte Arbeitnehmer eröffnet den Fall.
Gegenüber den Gerichten grenzen wir uns daher durch den hohen Automatisierungsgrad und die ganzheitliche digitale Lösung ab. Gegenüber tech-affinen Kanzleien unterscheiden wir uns durch die personalunabhängige Skalierbarkeit und die gute Expansion ins Ausland ab.
Alltag
Welche Marketing-Kanäle habt ihr für Suitcase bisher genutzt?
Wir sind vergleichsweise restriktiv: Wir wollen nur so bekannt sein, wie es für eine vertrauensvolle Marke erforderlich ist. Unser Fokus liegt nicht auf Marketing, sondern einer möglich professionellen und schnellen Betreuung der Rechtsstreitigkeiten. Wir treten daher primär auf LinkedIn und in Fachmedien auf, um Rechtsanwälte und Versicherer von uns zu überzeugen. Sobald wir eine dreistellige Anzahl an Fällen bearbeitet haben, werden wir auch auf Publikumsmedien zugehen.
Auf was in eurem Alltag könnt ihr nicht verzichten?
Definitiv die Espressomaschine im Büro und München als Firmenstandort. Wir fühlen uns in der Stadt sehr wohl und nutzen häufig die Nähe zu den Alpen für Wanderausflüge – so zuletzt am vergangenen Sonntag.
Habt ihr einen spannenden Tipp für angehende Gründer?
Der Zeitpunkt der Gründung ist egal. Und damit wollen wir nicht nur sagen, dass das individuell ist. Sondern wir wollen dazu ermutigen, es jederzeit zu wagen. Es gibt tolle Erfolgsgeschichten von Menschen aus jeder Lebensphase. Eine gute Idee kommt, wann sie will.
Nutzt ihr KI-Tools, um euch den Arbeitsalltag zu erleichtern?
Wir nutzen ChatGPT gern als Startpunkt für umfassende Textaufgaben. Es ist ein guter Ideengeber. Mit der nötigen, menschlichen Unterstützung kommen gute Ergebnisse raus. Produktseitig arbeiten wir aktuell an zwei KI-Komponenten. Sie sollen Menschen dabei unterstützen, unsere Plattform noch leichter zu nutzen.
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Über den Autor
Lea Minge
Lea machte von Oktober 2022 bis Oktober 2024 ihr Volontariat bei Gründer.de. Sie war für die täglichen News zuständig. Im Bereich Wirtschaft, Startups oder Gründer hat sie den Überblick und berichtete von den neuesten Trends, Entwicklungen oder Schlagzeilen. Auch bei der Sendung “Die Höhle der Löwen” zeigte sie eine wahre Expertise und verfolgte für unsere Leser jede Sendung. Damit kennt sie die wichtigsten DHDL-Startups, -Produkte und Informationen zu den Jurymitgliedern. Daneben hatte sie immer einen Blick auf die neuesten SEO-Trends und -Anforderungen und optimiert fleißig den Content auf Gründer.de. Neue Ideen für Texte blieben da nicht aus. Schon früh interessierte sie sich fürs Schreiben, weshalb sie ein Studium in Germanistik und Kommunikations- und Medienwissenschaft in Düsseldorf absolvierte.