Gründer FAQ: Warum nur wenige Praktikanten Anspruch auf Mindestlohn haben

Praktikant einstellen: Wann muss der gesetzliche Mindestlohn bezahlt werden?

Viele Studenten oder Berufseinsteiger träumen von einem Praktikum in einem Startup. In einem kleinen Unternehmen kannst du bereits als Praktikant schon früh viel Verantwortung übernehmen, da es in jungen Unternehmen meist noch keine festen Arbeitsabläufe oder regelmäßige und genaue Arbeitsanweisungen gibt. Für junge Unternehmen sind Praktikanten günstige Mitarbeiter. Aber wie sieht es mit der Bezahlung aus? Müssen beispielsweise Pflichtpraktika bezahlt werden? Erfahre mehr!

Im Januar dieses Jahres hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. 

Im konkreten Fall beabsichtigte die Klägerin, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist allerdings unter anderem die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei der Beklagten – einer Krankenhausbetreiberin – ein sechsmonatiges Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) eine Vergütung in Höhe von ca. 10.000 Euro brutto verlangt. 

Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage zunächst abgewiesen. Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass die Klägerin nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des MiLoG unterfällt und daher keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn hat. Denn das in Rede stehende Praktikum wurde verpflichtend auf Grund einer hochschulrechtlichen Bestimmung abgeleistet. 

Insgesamt wirft die Entscheidung des Gerichts für viele StartUps und Existenzgründer die Fragen auf, welche Praktikantinnen und Praktikanten vom gesetzlichen Mindestlohn profitieren und welche vom Anwendungsbereich des MiLoG ausgenommen sind und, inwieweit sich der ggf. zu zahlende Mindestlohn im laufenden Jahr verändern wird.

Der Mindestlohn in Zahlen

In Deutschland gilt seit dem 1. Januar 2022 ein gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 9,82 Euro pro Stunde, der zum 1. Juli 2022 noch einmal auf 10,45 Euro ansteigen soll. Am 23. Februar 2022 hat das Bundeskabinett sodann auch den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn beschlossen, sodass der gesetzliche Mindestlohn ab 1. Oktober 2022 auf 12,00 Euro ansteigen wird. 

Gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland 2021-2022 (EUR/Stunde)

2021Seit Januar 2022Ab Juli 2022Ab Oktober 2022
9,50 bzw. 9,609,8210,4512,00

Wer zählt eigentlich als Praktikant?

Der Begriff des Praktikanten ist mittlerweile in § 22 Absatz 1 Satz 3 MiLoG gesetzlich definiert worden:

„Praktikantin oder Praktikant ist, […] wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.“

Voraussetzung ist zudem, dass Praktikanten nicht bereits Auszubildende oder Arbeitnehmer sind. Ziel eines Praktikums soll immer sein, dass besondere Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt werden. Hierin liegt auch der Hauptunterschied zwischen Praktikanten und Arbeitnehmern, denn bei ersteren steht der Ausbildungsaspekt klar im Vordergrund.

Grundsatz: Praktikanten gelten als Arbeitnehmer, für die der Mindestlohn gilt

Grundsätzlich sieht das Gesetz (§ 1 Absatz 1 MiLoG) vor, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer Anspruch auf die Zahlung eines gesetzlichen Mindestlohns durch den Arbeitgeber haben. Den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes regelt dessen § 22 Absatz 1, wonach das Gesetz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt. Allein nach diesem Wortlaut wären Praktikanten demnach nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst. Hier kommt allerdings Satz 2 der Regelung in Spiel, wonach Praktikanten im Sinne des § 26 BBiG als Arbeitnehmer im Sinne des MiLoG gelten, weshalb auch sie grundsätzlich einen Anspruch auf den Mindestlohn haben.

Anspruch auf Mindestlohn haben nur wenige Praktikanten

Im Anschluss an die grundsätzliche Einbeziehung von Praktikanten in den Anwendungsbereich des MiLoG, werden jedoch bestimmte Praktikumsverhältnisse, die in der Arbeitswelt häufig auftauchen, hiervon gemäß § 22 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1-4 MiLoG wieder ausgenommen:

Nr. 1Kein Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns besteht für Pflichtpraktika im Ausbildungs- und Studienkontext, und zwar so lange, wie diese durch eine ausbildungs- oder (hoch-)schulrechtliche Bestimmung vorgeschrieben sind, worunter auch Praktika fallen, die nach einer Zulassungsordnung Voraussetzung für eine Studienaufnahme sind. Hierzu zählt auch der vom BAG entschiedene und oben dargestellte Fall.
Nr. 2Alsdann sind solche Praktika vom Mindestlohn ausgeschlossen, die bis zu einer Dauer von drei Monaten zur Ausbildungs- oder Studienorientierung absolviert werden.
Nr. 3Gleiches gilt, wenn ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einem Studium oder einer Ausbildung erfolgt und nicht zuvor ein solches Praktikantenverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat.
Nr. 4Zuletzt sind Beschäftigte vom Mindestlohn ausgeschlossen, die an einer Einstiegsqualifizierung gem. § 54 a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68–70 BBiG teilnehmen.

Für welche Praktika der Mindestlohn nun gezahlt werden muss, lässt sich im Umkehrschluss aus den Ausnahmen ermitteln:

  • Praktika nach Studien- bzw. Ausbildungsende
  • Praktika zur Ausbildungs- oder Studienorientierung oder Praktika, die begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung durchgeführt werden, wenn sie länger als drei Monate dauern.
  • Zuletzt kann auch der Fall vorkommen, dass jemand zwar als Praktikant eingestellt wird, es sich aber tatsächlich um einen Arbeitnehmer handelt. Auch in diesem Fall ist der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen. Der Anspruch folgt dann bereits aus § 1 Abs. 1 MiLoG.

Fazit

Obgleich Praktikanten im Grundsatz dem Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes unterfallen, haben die dort geregelten Ausnahmen eine enorme praktische Relevanz. Im Ergebnis haben viele Praktikanten keinen Anspruch auf die Zahlung eines Mindestlohns. Freilich hindert dies nicht die Möglichkeit von Arbeitgebern, ihren Praktikanten den Mindestlohn zu zahlen, denn die arbeitsgerechte Bezahlung ist einer von vielen Faktoren, die zu einer Mitarbeiterbindung beitragen, um junge Talente auch langfristig zu halten.

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Über den Autor

Autorenprofil: Jonas Trompeter

Jonas Trompeter

Jonas Trompeter ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Boegehold & Trompeter Rechtsanwälte Partnerschaft mbB mit Sitz in Bremen. Die Kanzlei begleitet u.a. Startups ganzheitlich vom Zeitpunkt der (Vor-)Gründung, über die Finanzierungs- und Wachstumsphase, hin zur Strukturierung und Führung des Unternehmens, wenn es sich am Markt etabliert hat, wobei Herr Trompeter insbesondere mit Schwerpunkt im Arbeitsrecht tätig wird. Vor Gründung der eigenen Kanzlei war er für verschiedene internationale Wirtschaftssozietäten in Bremen und Hamburg tätig.

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